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Pressemeldung zum Jahreswechsel

Die EU im Zugzwang

Das Jahr 2003 wird der EU keine Ruhepause gönnen

27.12.2002 - Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P)


Die Europäische Union wird von ihren eigenen Erfolgen unter Zugzwang gesetzt. Trotz nationaler Wahlen in wichtigen EU-Mitgliedstaaten, trotz des ausbleibenden wirtschaftlichen Aufschwungs und trotz zahlreicher internationaler Krisen ist es den Europäern gelungen im Jahr 2002 einige historische Meilensteine der Integration zu setzen: Die Einführung des Euro-Bargelds, die Einsetzung des EU-Verfassungskonvents und der Abschluss des Verhandlungsprozesses mit zehn Beitrittskandidaten in Kopenhagen zeugen von der Dynamik einer vitalen Erfolgsgemeinschaft, so das Fazit der Europaexperten am Centrum für angewandte Politikforschung.



Rom, Maastricht, Amsterdam und Nizza - noch ist offen, in welcher Stadt der nächste Verfassungsfortschritt der EU besiegelt wird.
Foto: Europäische Kommission


Auch das Jahr 2003 wird der EU keine Ruhepause gönnen. Die Münchner Europaforscher weisen darauf hin, dass der Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten noch keinesfalls endgültig gesichert sei. Zunächst müsse im April 2003 der Beitrittsvertrag in Athen unterzeichnet werden. Bis dahin gelte es letzte Streitpunkte einvernehmlich auszuräumen. Erst dann könne der Ratifikationsprozess in allen heutigen Mitgliedstaaten, jedem einzelnen Beitrittsstaat und dem Europäischen Parlament anlaufen. Populisten und EU-Kritiker aber werden die technischen und finanziellen Konzessionen des Verhandlungsergebnisses sowie die verabredeten Übergangsfristen als Diskriminierung und Mitgliedschaft zweiter Klasse geißeln. Das könne negative Auswirkungen auf die in allen Kandidatenstaaten anberaumten Referenden haben. Auch in den heutigen Mitgliedstaaten herrsche bei den Bürgern noch ein mangelndes Bewusstsein über die Vorteile der Erweiterung. Auf beiden Seiten müsse daher noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, um potentielle Sollbruchstellen im Vertrauensverhältnis der Bürger zur erweiterten Union zu vermeiden.

Festgefahren scheint auch die Diskussion um die Grenzen Europas. Diese wurde mit dem Kopenhagener Beschluss, der Türkei schon ab 2005 Beitrittsverhandlungen in Aussicht zu stellen, von neuem entfacht. Die Experten am C·A·P betonen, dass die Grundsatzentscheidung über einen möglichen Beitritt der Türkei bereits vor Jahren getroffen worden sei. Das erneut in der Debatte vorgebrachte Argument, wonach eine Vollmitgliedschaft der Türkei aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum islamischen Kulturkreis kategorisch ausgeschlossen werden sollte, sei nicht schlüssig. In einem aufgeklärten und dem Pluralismus verpflichteten Europa könne die Entscheidung über den EU-Beitritt eines Landes nicht auf der Grundlage eines wie auch immer perzipierten Kultur- oder Religionskriteriums getroffen werden. Der Beitritt der Türkei wird sich vielmehr an den politischen und wirtschaftlichen Kriterien von Kopenhagen sowie an der Reformfähigkeit der EU orientieren müssen.

Dasselbe gelte für die fünf Balkanstaaten, mit denen bereits Assoziierungs- und Kooperationsabkommen inklusive einer klaren Beitrittsperspektive bestehen. Die EU-Mitgliedsaspiranten werden ihren Druck in Richtung einer EU-Mitgliedschaft erhöhen. Es seien daher weniger die Grenzen der Erweiterung zu bestimmen, die EU müsse sich vielmehr über die Grenzen ihrer Integrationsfähigkeit klar werden. Dieser Aufgabe solle der Konvent bei der Ausarbeitung der künftigen EU-Verfassung bis Mitte 2003 absolute Priorität einräumen. Die Verfassungsväter dürften sich nicht auf die Neuorganisation des konstitutionellen Status quo beschränken, so die Forderung der Münchner Europaexperten. Denn die Handlungsfähigkeit und Effizienz einer erweiterten EU erfordere Reformen, die den Ansprüchen einer EU mit bald 33 und mehr Mitgliedstaaten gerecht werden müssten.

Das für nur 27 Mitgliedstaaten konzipierte und in seiner Substanz eher schwächliche Kompromisspaket des Nizza-Vertrages müsse durch den Konvent und die anschließende Regierungskonferenz nochmals aufgeschnürt werden. Insbesondere Vetorechte und Stimmgewichtung im Rat, aber auch die Zusammensetzung und die Beteiligung von Kommission und Parlament bedürfen einer weiteren Justierung. Geschehe dies nicht, müssten die Entscheidungsstrukturen in nur wenigen Jahren erneut Grund legend verändert werden - ein Vorhaben, das mit wachsender Mitgliederzahl immer schwieriger würde. Dies gilt ebenso für eine Ausweitung der Befugnisse der EU im Bereiche der Außen-, Sicherheits- Verteidigungspolitik. Eine Kakophonie, wie sie sich die Europäer in der Irakfrage geleistet haben, wäre gegenüber einem künftigen Nachbarn Irak fatal.

Schließlich muss die EU auch Strategien entwickeln, wie in einem Europa mit mehr als 25 Staaten weitere Integrationsschritte möglich bleiben. Das Centrum für angewandte Politikforschung hat seit Jahren Konzepte zur differenzierten Integration entwickelt, die erläutern, wie einzelne Politikbereiche zunächst von einer Gruppe von Mitgliedstaaten vertieft werden können. Der Konvent sollte dieses Prinzip in die künftige Verfassung übernehmen und seine Anwendungsmöglichkeiten gerade im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik lockern. Nur dann können die Gestaltungspotentiale dieses Instruments effektiv genutzt und die verstärkte Zusammenarbeit als glaubwürdige Alternative gegenüber einer Blockadepolitik einzelner Staaten oder Staatengruppen eingesetzt werden.


Information

Grundlegende Reformkonzepte zur Stärkung von Effizienz und Legitimation der EU-Entscheidungsstrukturen werden seit fünfzehn Jahren unter der Leitung von Prof. Weidenfeld am Münchner Centrum für angewandte Politikforschung (C·A·P) entwickelt. Jede der zurückliegenden Regierungskonferenzen zur Reform der Europäischen Union haben die Münchner Europaforscher mit eigenen Konzepten und Strategien begleitet. Auch über das Konvent-Spotlight und die Internetseiten zur Begleitung der Debatte über die Zukunft der Europäischen Union werden diese Arbeitsergebnisse direkt in die Beratungen der Bundesregierung und des Konvents eingespeist.

Weitere Informationen zur Reform der Europäischen Union finden Sie unter: http://www.cap.uni-muenchen.de


Kontakt

Centrum für angewandte Politikforschung
Maria-Theresia-Str. 21
D-81675 München
Tel.: +49-89-2180-1300
Fax: +49-89-2180-1329
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