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P o s i t i o n Europäisches Regieren bürgernah und nachvollziehbar gestaltenEckpunkte für eine subsidiäre und transparente Kompetenzausübung durch die EU Von Thomas Fischer - 06. Juni 2002 Nach den beiden letzten Plenardebatten des Konvents zur Kompetenzfrage zeichnet sich ein weit gehender Konsens in drei Punkten ab: für die Aufgabenverteilung in der Europäischen Union wird ein flexibles Modell einem starren Kompetenzkatalog vorgezogen. Favorisiert wird dabei eine Kategorisierung entlang der Eingriffsintensität europäischer Befugnisse. Überdies scheint weit gehendes Einvernehmen darüber zu bestehen, dass die Zahl der europäischen Steuerungsinstrumente deutlich eingegrenzt werden muss, da die ständige "Proliferation" vertraglich geregelter und außervertraglicher Handlungsformen entscheidend zur Intransparenz europäischen Regierens beiträgt. Schließlich stimmt eine große Mehrheit des Konvents darin überein, dass spezielle politische und/oder gerichtliche Kontroll-mechanismen geschaffen werden müssen, um die Einhaltung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips wirksam überwachen zu können. Vertieft werden soll die bisherige Diskussion nun in der neu eingerichteten Arbeitsgruppe zur Subsidiarität. Ihr wurde das Mandat erteilt, sich vor allem mit zwei Fragen aus-einanderzusetzen: der Verbesserung möglicher Prüfkriterien zur Überwachung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sowie der Reform der institutionellen Kontroll-mechanismen. Nicht in den Blick genommen werden dagegen andere zentrale Aspekte einer transparenten und subsidiären Aufgabenwahrnehmung durch die EU. Tatsächlich erscheint es angeraten, die Arbeitsgruppen-beratungen auf insgesamt fünf Problemfelder der derzeitigen Praxis der Kompetenz-ausübung auszuweiten:
1. Aufgabenbezogene Zuordnung der Instrumente Eine Vereinfachung des europäischen Vertragswerkes setzt eine Neuordnung des primärrechtlichen Kompetenzgefüges voraus - etwa in Gestalt einer Kategorisierung entlang konstitutioneller, ausschließlicher, gemeinsamer, ergänzender und rein koordinierender Aufgabenfelder der EU (vgl. unseren Vorschlag in Konvent-Spotlight 01 / 2002). Eine neue Zuständigkeitssystematik genügt jedoch nicht, um das Problem einer subsidiaritätsgerechten Kompetenz-ordnung zu lösen. Auch künftig wird es zu Zuständig-keitsüberschneidungen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten kommen. Damit erhält die Frage Schlüsselbedeutung, wie auf der Ebene der Kompetenzausübung eine "wohldosierte Europäisierung" der jeweiligen Aufgabenfelder sichergestellt werden kann. Um zu verhindern, dass sich die angestrebte Systematisierung der vertraglichen Aufgabenbestände auf eine primär redaktionelle Übung beschränkt, ist es notwendig, auch die jeweils anzuwendenden Instrumente und Entscheidungsverfahren zuzuordnen. Allerdings muss dabei eine gewisse Flexibilität bei der Wahl der geeigneten Mittel gewahrt bleiben. Ein relativ offenes Ordnungsmodell könnte folgendermaßen aussehen:
Der zentrale Vorteil dieser umfassenden Aufgaben-kategorisierung liegt darin, dass sich ein stringentes Ordnungsmuster für die Unterscheidung zwischen Verordnung, Richtlinie, Entscheidung und Empfehlung sowie ihre unterschiedlichen Anwendungsbereiche und damit ein erheblicher Transparenzgewinn im Vergleich zu den heutigen Vertragsstrukturen ergäbe. 2. Vereinfachung der Handlungsinstrumente der EU Ein Mehr an Transparenz erfordert eine überschaubare Zahl verfügbarer Instrumente und deren klare Abgrenzung voneinander. In der momentanen Situation stehen vertraglich und nicht vertraglich geregelte Handlungsformen wenig stringent nebeneinander. So finden sich für die erste Säule des EU-Vertrages neben Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen auch Begriffe wie Rahmenrichtlinien, Leitlinien, Beschlüsse und Durchführungsbeschlüsse. Im zweiten und dritten Pfeiler zur Außen- und Innenpolitik werden vertraglich neun weitere Maßnahmenarten aufgeführt. Hinzu kommen noch rein "deklamatorische Befugnisse" wie Schlussfolgerungen des Vorsitzes oder Erklärungen und feierliche Erklärungen. Die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit der einzelnen Instrumente bildet einen weiteren Schwachpunkt. Die Unterscheidung zwischen den Hauptinstrumenten Verordnung und Richtlinie verschwimmt durch die Neigung, auch in Richtlinien immer häufiger Durchführungsdetails zu regeln. Des weiteren widerspricht die fehlende Differenzierung zwischen Legislativ- und Exekutivakten allen Grundsätzen horizontaler Gewaltenteilung. Um diese Miss-stände auszuräumen, bieten sich vor allem zwei Ansatzpunkte:
3. Regulative Prinzipien der Kompetenzausübung Da die europäische Kompetenzordnung auch künftig überwiegend durch Mischzuständigkeiten geprägt sein wird, ist ihre subsidiaritätsgerechte Ausgestaltung nur möglich, wenn sich der konkrete Einsatz politischer Steuerungs-instrumente an dem Gebot wechselseitiger Autonomie-schonung orientiert. Um dies zu gewährleisten, könnten folgende regulative Prinzipien für die Kompetenzausübung vertraglich ausgebaut werden:
4. Prüfmaßstäbe für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips Die neu eingerichtete Konvents-Arbeitsgruppe zur Subsidiarität soll unter anderem klären, ob und wie die Kriterien des Amsterdamer Subsidiaritätsprotokoll als Maßstäbe für die Zulässigkeit eines Tätigwerdens der Unionsorgane ergänzt werden sollten. Geschehen könnte dies etwa im Wege eines abgestuften Vorgehens, das zwischen zwei Prüfebenen unterscheidet. In einem ersten Schritt wäre zu klären, inwieweit zur effektiven Lösung bestimmter Probleme oder wirksamen Wahrnehmung spezifischer Interessen ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten überhaupt erforderlich ist. Der Prüfung auf dieser Ebene könnten folgende Einzelkriterien zugrunde liegen:
Sollte auch nur eines dieser Kriterien für ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedsstaaten sprechen, wäre in einem zweiten Schritt der Frage nachzugehen, ob möglicherweise andere Kooperationsformen vorzuziehen sind. Wiederum würde sich eine Überprüfung anhand von drei Einzelfragen anbieten:
5. Institutionelle Ansätze zur Effektivierung des Subsidiaritätsprinzips Für die justizielle Klärung von Kompetenzfragen sollte auch künftig der Europäische Gerichtshof verantwortlich sein. Die Schaffung neuer Institutionen bietet hier keinen erkennbaren Zugewinn für die Effizienz und Legitimität der Streitschlichtung. Zwar könnte die rechtliche Klärung auch einem neuen Kompetenzgericht überlassen werden, das sich ganz oder teilweise aus nationalen Verfassungsrichtern zusammensetzt. Unklar bleibt jedoch, worin dessen Mehr-wert gegenüber der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs läge. Eher sollte darüber nachgedacht werden, die Stellung des Europäischen Gerichtshofes zu einem echten Verfassungsgerichtshof auszubauen. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung wäre es, wenn er zusätzlich das Recht erhielte, a priori - also noch vor Inkrafttreten eines europäischen Rechtsaktes - dessen Vereinbarkeit mit dem vertraglichen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip zu prüfen. Darüber hinaus wird gegenwärtig eine Vielzahl von institutionellen Varianten zur Verbesserung der politischen Kontrolle diskutiert. Häufig stellen sie darauf ab, die Rolle der nationalen Parlamente im europäischen Entscheidungs-prozesse über einen Ausbau ihrer Kontrollfunktion zu stärken. Dies gilt für Modelle der Einrichtung einer zweiten Kammer nationaler Parlamentarier ebenso wie für die Überlegungen zur Schaffung eines Subsidiaritäts-ausschusses, der sich aus nationalen Abgeordneten und Mitgliedern des Europäischen Parlaments zusammensetzen soll. Letztlich laufen beide Überlegungen darauf hinaus, eine dritte Kammer auf EU-Ebene und damit noch kompliziertere Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Statt dessen könnte die Kontrollfunktion der COSAC effektiviert werden, die schon heute in dem Amsterdamer Protokoll über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der EU angedacht ist. Damit die COSAC ihr Recht, Stellungnahmen zu Subsidiaritätsfragen abzugeben, wirksamer als bisher nutzen kann, müsste sie vor allem mit einem eigenen Sekretariat ausgestattet werden. |