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P o s i t i o n Eine Erfolgspartitur für EuropaVon Dr. Claus Giering - Mai 2002Seit dem 28. Februar wird an einem neuen Stück europäischer Geschichte geschrieben. In einem Konvent mit über hundert Mitgliedern bereiten Vertreter der Regierungen, der nationalen Parlamente, des Europaparlaments, der Kommission sowie der Beitrittskandidaten eine Vertragsreform vor, die in eine Verfassung für die Europäische Union (EU) münden kann. Wenn der Konvent seinem Auftrag gerecht wird, indem er die Zuständigkeit zwischen den Mitgliedstaaten und der EU neu ordnet, die Gesetzgebung auf europäischer Ebene mit effizienteren und demokratischeren Verfahren versieht und diese Grundordnung in einem lesbaren Dokument bündelt, wäre das der entscheidende Schritt zu einer europäischen Verfassung. Selbst wenn das Ergebnis letztlich nicht als "Verfassung" firmiert, der Charakter eines solchen "Grundvertrages", "Verfassungsvertrages" oder einer "Charta der Kompetenzen" wäre konstitutionell. Entscheidend für den Erfolg des Konvents und damit für die
Umsetzbarkeit seiner Vorschläge in der nächsten Regierungskonferenz
wird die Art des Schlussdokuments sein. Doch die Komposition einer im
Konsens verabschiedeten, für 27 und mehr Mitgliedstaaten tragfähigen
Grundordnung verspricht mühsam zu werden. Aus der Kakophonie der
Interventionen einzelner Konventsmitglieder bei der Auftaktsitzung ließ
sich noch keine Tonfolge einer in sich stimmigen Partitur heraushören.
In den folgenden Vollversammlungen werden jeweils bestimmte Themenblöcke
behandelt. Der Konvent sollte sich jedoch nicht dazu verleiten lassen,
nur umfangreiche Berichte mit vielfältigen Optionen zu produzieren. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Vereinfachung der Verträge. Das Ziel, die Verträge zu konsolidieren, systematisieren und zu präzisieren, sollte der Konvent als zentrale Prämisse seiner Arbeit festlegen. Das Minimalergebnis wäre ein transparenter und verständlicher Grundvertrag, der die wesentlichen Elemente der bestehenden Verträge systematisch bündelt, die Grundrechtecharta einbindet, einen Überblick über die Aufgabenteilung bietet und die institutionelle Architektur verdeutlicht. Ein solches Dokument, das sich in der Quintessenz nicht zu weit vom Status quo weg bewegt, können die Staats- und Regierungschefs in der dem Konvent folgenden Regierungskonferenz, die letztendlich die Reformen beschließen muss, kaum ablehnen. Falls sich der Konvent auf einen Grundvertrag einigen kann, sind seine Erfolgsaussichten gut. Dies umso mehr, da allen Beteiligten klar ist, dass die zu erweiternde EU regierbar gestaltet werden muss, wenn sich die ambitionierteren Mitgliedstaaten nicht als Solisten oder in kleineren Gruppen vom vielstimmigen Orchester absetzen sollen. |