J a h r e s p r e s s e m e l d u n g
Eine Doppel-Präsidentschaft für die
Europäische Union
17.12.2002 - C·A·P
Mit der anstehenden Erweiterung sitzt Europa in der Erfolgsfalle. Die
Vielstimmigkeit im Rat, die Kompliziertheit der Abstimmungsregeln und
die unklare Verteilung der Führungsrollen zwischen Rat und Kommission
werden nach Auffassung des Münchner Europaforschers Werner
Weidenfeld zur Lähmung der Europäischen Union führen.
Um das Europa der 25-plus regierungsfähig zu halten, so die Forderung
von Weidenfeld, bedarf es klarer Führungsstrukturen. Für wenig
zielführend hält er dabei die derzeitige Debatte im EU-Konvent
zwischen den Anhängern der Gemeinschaftsmethode, die für eine
Stärkung der Kommissionspräsidentschaft eintreten, und den Befürwortern
eines größeren Gewichts der mitgliedstaatlichen Regierungen,
die die Ernennung eines Präsidenten des Europäischen Rates anstreben.
Der eigentlichen Schlüssel für eine Stärkung der politischen
Führungskapazitäten liegt für Weidenfeld, Direktor des
Centrums für angewandte Politikforschung (C·A·P), in
dem Ausbau beider Legitimationsquellen Europas als einer Union der Staaten
und der Bürger. Sie müsse sich in einer doppelten Präsidentschaft
bei Europäischem Rat und Kommission widerspiegeln, die arbeitsteilig
zu organisieren ist. Dazu schlägt Weidenfeld vor, dass die Kommission
auf eine solidere Legitimationsbasis gestellt wird. Die Wahl ihres Präsidenten
solle deshalb künftig direkt durch das Europäische Parlament
erfolgen. Dies würde die Legitimation und damit die Stellung des
Kommissionspräsidenten und seines Kollegiums im Zusammenspiel mit
den anderen Institutionen stärken. Auf diese Weise könne gleichzeitig
die Parlamentarisierung des politischen Systems der Europäischen
Union voran getrieben, die Repräsentation der Bürger verbessert
und die Europawahlen aufgewertet werden.
Mit Blick auf den Rat plädiert Weidenfeld dafür, die mittelbare
Legitimationsschiene über die Mitgliedstaaten auszubauen. Als zentrale
Schaltstelle solle hier die Präsidentschaft im Europäischen
Rat fungieren. Die halbjährlich rotierende Präsidentschaft ist,
so Weidenfeld, in einer erweiterten Union nicht länger tragfähig,
um die mitgliedstaatlichen Interessen nach außen wie nach innen
zu bündeln und zu vertreten. Deshalb sei die Einsetzung eines Präsidenten
auf längere Zeit notwendig.
Gleichzeitig spricht er sich entschieden gegen eine Personalunion mit
dem Kommissionspräsidenten aus, da dies zu Lasten einer effektiven
Gewaltenteilung ginge. Der Präsident des Europäischen Rates
solle die Union nach außen vertreten und auch jene protokollarischen
Aufgaben wahrnehmen, die denen der Präsidenten der Mitgliedstaaten
für die europäische Ebene ähnlich wären.
Für die Beratungen des Konvents rät Weidenfeld dazu, die strategische
Grundsatzentscheidung zugunsten einer "Doppel-Präsidentschaft"
noch vor Beginn der institutionellen Detailarbeit zu treffen. Nur so lasse
sich sicherstellen, dass nicht Kompetenz- und Loyalitätskonflikte
auftreten, sondern eine klare Arbeitsteilung die Rollendefinition beider
Präsidenten bestimmen würde.
Grundlegende Reformkonzepte zur Stärkung von Effizienz und Legitimation
der EU-Entscheidungsstrukturen werden seit fünfzehn Jahren unter
der Leitung von Prof. Weidenfeld am Münchner Centrum für angewandte
Politikforschung (C·A·P) entwickelt. Jede der zurückliegenden
Regierungskonferenzen zur Reform der Europäischen Union haben die
Münchner Europaforscher mit eigenen Konzepten und Strategien begleitet.
Auch über das Konvent-Spotlight
und die Internetseiten zur Begleitung
der Debatte über die Zukunft der Europäischen Union werden diese
Arbeitsergebnisse direkt in die Beratungen der Bundesregierung und des
Konvents eingespeist.
Download
Bertelsmann Foundation and Center for Applied Policy Research (eds.):
Bridging the Leadership Gap - A Strategy for Improving Political Leadership
in the EU by the Thinking Enlarged Group, Gütersloh/München
2002
Download (964 KB, PDF-Format): Vollversion
Kontakt
Centrum für angewandte Politikforschung
Maria-Theresia-Str. 21
D-81675 München
Tel.: +49-89-2180-1300
Fax: +49-89-2180-1329
E-Mail: cap.office@lrz.uni-muenchen.de
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