![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Allgemeine Zeitung Mainz,
17. Dezember 2003
Der Vermittlungsausschuss als Verlierer der ReformdebatteDeutschland wird aus dem Gebäude des Bundesrates in Berlin regiert. Die eindrucksvolle Medieninszenierung des Vermittlungsausschusses hat dieses Entscheidungsorgan jedoch nachhaltig beschädigt. Der Vermittlungsausschuss gehört zu den Verlierern der Vereinbarungen. Über 90 Prozent aller Einigungsformeln des Vermittlungsausschusses sind seit seiner ersten Anrufung vor Jahrzehnten in Gesetze umgesetzt worden. Die Geschichte des Vermittlungsausschusses, den zumeist die Opposition im Bund anrief, ist eine Erfolgsstory. Doch das wird sich jetzt vermutlich ändern. Denn die Grundbedingungen für Einigungsformeln schwinden. In einem nicht-öffentlichen Verfahren suchten bislang Politiker mit freiem Verhandlungsmandat nach Lösungen. Ohne Transparenz konnte es weder Verlierer noch Gewinner geben. Zurecht wurde der Ausschuss deshalb auch als "Dunkelkammer" der Gesetzgebung bezeichnet. Die Parteivorsitzenden oder Kanzler griffen immer in der entscheidenden Phase mit ein, jedoch nicht formalisiert, sondern als Zaungäste. Sie zogen im Hintergrund die Fäden. Zumeist konnten einzelne Ministerpräsidenten mit Finanzspritzen für ihr Bundesland geködert werden, um die Ablehnungsfronten aufzulockern. Diesmal ist die Teilnahme der Parteivorsitzenden formalisiert worden, doch für einen allzu hohen Preis. Denn die ordentlichen Mitglieder wurden zu Platzhaltern ihrer Partei-Chefs degradiert. Verhandlungen verkamen tagelang zu reinen Scheingefechten, weil die Chefsache vorzubereiten war. Solange alle paar Minuten Pressekonferenzen vor den Türen des Ausschusses stattfanden, konnte drinnen nichts vereinbart werden. Je mehr Scheinwerfer angeschaltet wurden desto schleppender gestalteten sich die Verhandlungen. Die politisch fragliche Legitimität so eines Ersatzgesetzgebers ist durch den Auftritt der "Elefantenrunde" zusätzlich belastet. Bedeutet das für kommende schwierige Verhandlungen automatisch den Einzug der Parteivorsitzenden gegen Ende der Verfahren? Das würde dem Vermittlungsausschuss ein erweitertes Gewicht geben, das ihm im Entscheidungssystem nicht zusteht. Sogenannte "Elefantenrunden" können in Ausnahmesituationen salomonisch schlichten, wenn die Sehnsucht nach Erlösung vom Sitzungsmarathon dominiert. Doch der Marathon hing auch damit zusammen, dass man bereits vor Tagen den Gipfel plante. Zugegeben, die jetzige Patt-Situation im Vermittlungsausschuss ist eine Ausnahme. Um so schwieriger ist es für die Verhandlungsführer die Reihen geschlossen zu halten. Die Macht- und Kraftzentren verschieben sich je nach Verhandlungsgegenstand. Die Schieflage in unserem Entscheidungssystem zwischen dem Bund und den Ländern hat dazu geführt, dass seit Jahren geforderte wichtige Reformgesetze nicht mehr in einem transparenten Gesetzgebungsverfahren zustande kommen. Ein Überparlament namens Vermittlungsausschuss, ist jetzt dafür zuständig. Wenn wir dieses System durch Reformen im Föderalismus nicht ändern wollen, dann sollten wir zumindest die Bedingungen einer Einigung erleichtern. Ein nicht-inszeniertes Geheimtreffen könnte schneller zum Konsens finden. |