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Rheinischer Merkur, 24. Juli 2003

"Die Nato kann helfen"

Wiederaufbau im Irak: Amerika muss sich nach Partnern umsehen.

Interview mit John Hamre*


RHEINISCHER MERKUR: Jeden Tag gibt es ein bis zwei Dutzend Angriffe auf amerikanische Soldaten, oft mit tödlichem Ausgang. Was läuft da schief?

JOHN HAMRE: Die irakischen Sicherheitstruppen haben sich dazu entschieden, nicht bis zum Ende des Krieges zu kämpfen. Sie haben sich aufgelöst und selbst zurückgezogen. Es gab somit einen zwingenden US-Sieg, aber keine entscheidende irakische Niederlage. Ich habe keine Ahnung, wie viele dieser Leute als Rebellen aktiv bleiben - sicherlich sind es viele.

RHEINISCHER MERKUR: Verlieren US-Truppen die Kontrolle?

JOHN HAMRE: Wir behalten in jedem direkten Gefecht die Kontrolle, vorausgesetzt, es gibt eins. Immer öfter handelt es sich um hinterlistige Angriffe. Da werden Minen gelegt, Granaten auf Unterkünfte gefeuert. Und unglücklicherweise kostet das Menschenleben.

RHEINISCHER MERKUR: Nach einigen Berichten bilden loyale Saddam-Anhänger eine richtige Armee.

JOHN HAMRE: Es handelt sich um kleine Zellen, Leute, die ihr früheres militärisches Training ausnutzen. Sie scheinen eine allgemeine Anweisung zu haben, rauszugehen und Probleme zu machen: Amerikaner töten, die Bevölkerung einschüchtern. Das ist die einzige zentrale Organisationsebene. Wir sehen nirgendwo, dass sie Truppen bilden.

RHEINISCHER MERKUR: Brauchen die USA mehr Soldaten?

JOHN HAMRE: Wir müssen an dieses Problem anders herangehen. Übers Wochenende mehr Truppen hereinzubringen stoppt nicht die täglichen Angriffe. Es gibt ein umfassendes Sicherheitsproblem im Irak. Wir sehen noch immer feindliche Aktionen von Saddam-Anhängern, sehr gut organisierte Wirtschaftskriminalität und Plünderungen. Wir verfügen über schwere Panzer, Kampfhubschrauber, Infanterie und leicht bewaffnete Polizisten. Meiner Ansicht nach brauchen wir keine schwer bewaffneten Einheiten mehr. Was wir allerdings auf einen Schlag brauchen, sind viel mehr Polizisten. Unser Ziel ist es, 60.000 Mann zu rekrutieren. Wir sollten aber doppelt so viele rekrutieren, damit sich die Leute auf der Straße wieder sicher fühlen.

RHEINISCHER MERKUR: Da könnte die EU helfen, die in internationalen Polizeieinsätzen erfahren ist.

JOHN HAMRE: Soweit ich weiß, planen die Italiener, 3000 Carabinieri beizusteuern. Natürlich reicht das nicht. Letztendlich müssen die Iraker diese Rolle aber selbst übernehmen. Sie kennen ihr Land, die Sprache, die kulturellen Besonderheiten.

RHEINISCHER MERKUR: In Europa fragen sich viele, ob es überhaupt eine politische Strategie gibt.

JOHN HAMRE: Die Strategie lautet: So schnell wie möglich einen Übergangsrat mit respektablen Persönlichkeiten aufbauen, die sowohl die Anerkennung der Bevölkerung als auch des Auslands gewinnen können. Niemand erwartet, dass der Rat sofort im ganzen Land akzeptiert wird. Aber die konstitutionelle Entwicklung wird um ihn herum stattfinden.

RHEINISCHER MERKUR: Eine Entwicklung mit welchem Ziel?

JOHN HAMRE: Ich denke nicht, dass es eins gibt. Die Verfassungsgebung ist ein organischer Prozess. Wir werden ihn zwar prägen, aber nicht diktieren. Wir wollen die Einheit des Landes erhalten und ethnisch oder religiös ausgerichtete staatliche Enklaven verhindern, mehr nicht.

RHEINISCHER MERKUR: Schon jetzt gibt es Demonstrationen gegen den Übergangsrat. Sollten dessen Mitglieder nicht besser von der Uno statt von den USA legitimiert werden?

JOHN HAMRE: Das ist westlichen Eliten wichtiger als Irakis. Die wollen nur Elektrizität, fließendes Wasser und sichere Straßen - sehr grundlegende Dinge. Die Akzeptanz des Rates wird wachsen, wenn sich die Lebensbedingungen verbessern.

RHEINISCHER MERKUR: Der Truppeneinsatz im Irak kostet jeden Monat vier Milliarden Dollar. Wie lange können sich die USA das leisten?

JOHN HAMRE: Das ist eine schwere Last, kein Zweifel. Aber wir können uns das leisten. Ich glaube allerdings nicht, dass es eine öffentliche Unterstützung dafür gibt, die heutige Situation auch nur ein Jahr lang aufrechtzuerhalten. Wir müssen etwas verändern. Wenn erst ein Bewusstsein für den Fortschritt da ist, wird die amerikanische Bevölkerung zustimmen.

RHEINISCHER MERKUR: Kann die Nato helfen?

JOHN HAMRE: Die Nato könnte im Norden und im Süden eine Rolle spielen. Dort sind die Bedingungen viel besser als im sunnitischen Kernland. Unter diesem Dach sehe ich auch eine realistische Möglichkeit für Frankreich und Deutschland, sich zu beteiligen. Nato-Generalsekretär George Robertson hat seine Unterstützung angeboten, und ich denke, wir sollten sein Ja als Antwort nehmen.

* John Hamre leitet das renommierte Center for Strategic and International Studies in Washington. Für das Pentagon hat der frühere US-Vizeverteidigungsminister soeben einen Bericht über die Lage im Irak verfasst. Mit John Hamre sprach Thomas Gutschker beim Transatlantischen Strategieforum der Bertelsmann-Stiftung und des C·A·P in Eltville.


   
           
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Aktualisiert am: 28.07.2003   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang