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NZZ
Online, 29. April 2003
Mini-Verteidigungs-Gipfel in Brüssel - Umstrittenes Vierertreffen auf Initiative Belgiens(lts.) An einem von Belgien einberufenen Treffen, an dem auch Frankreich, Deutschland und Luxemburg teilnehmen, soll die EU-Sicherheits- und -Verteidigungspolitik am Dienstag neue Impulse erhalten. Die Initiative des belgischen Regierungschefs stösst aber ausserhalb des "Viererklubs" auf Misstrauen und Kritik. Am Dienstag findet in Brüssel ein europäischer Mini-Verteidigungs-Gipfel statt, zu dem der belgische Premierminister Verhofstadt nur Präsident Chirac, Bundeskanzler Schröder und den luxemburgischen Premierminister Juncker eingeladen hat. Die EU brauche nach den Irak-Erfahrungen rasch eine glaubwürdige Sicherheits- und Verteidigungspolitik, rechtfertigte Verhofstadt seine methodisch und inhaltlich kritisierte Initiative, um der gemeinsamen Aussenpolitik international mehr Gewicht zu geben. Belgische AmbitionenIn einem Positionspapier empfehlen die Belgier die zügige Einrichtung eines EU-Generalstabes mit Offizieren aus den vier Staaten zur Planung und Führung autonomer militärischer Operationen im Ausland. Sie schlagen zudem die Integration der verschiedenen bestehenden multinationalen Truppenverbände in Europa, wie Eurokorps oder deutsch-niederländisches Korps, unter einem einheitlichen EU-Kommando vor. Weiter plädiert Verhofstadt für einen erleichterten Zusammenschluss einzelner EU-Mitgliedstaaten zu einer Verteidigungsunion. Deren Teilnehmer müssten sich aber zu höheren Militärausgaben verpflichten und eine Beistandspflicht gegenüber den anderen Partnern dieser Verteidigungsgemeinschaft eingehen. Vorgeschlagen wird weiter die Einrichtung einer EU-Agentur für die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern. Solche Ad-hoc-Treffen einiger EU-Mitgliedstaaten sind nichts Ungewöhnliches. Aber dieser Minigipfel stiess schon im Vorfeld auf das offene Misstrauen vor allem jener EU-Mitgliedstaaten, die in der Irak-Krise dezidiert eine andere Position als das Quartett eingenommen hatten und von Verhofstadt offensichtlich mit Absicht nicht eingeladen worden sind. Die Belgier betonen zwar, dass sie den Integrationsprozess in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik nur beschleunigen, aber niemanden davon ausschliessen wollten. Die Übungsanlage weckte aber bei den Nichteingeladenen den Verdacht, dass die vier Staaten vorab unter sich die Spielregeln festlegen und erst anschliessend die Einladungen an weitere Interessenten versenden möchten. Der Vorsitzende der grössten Fraktion im Europäischen Parlament, der deutsche CDU-Abgeordnete Pöttering, sprach von einer "falschen Methode" und warnte vor der Bildung eines "Sonderklubs". Nach dem europäischen Irak-Debakel, schrieb Pöttering, könne nur ein gemeinschaftlicher Ansatz aller EU-Länder die durchaus notwendigen Fortschritte in der gemeinsamen Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik bringen. Flankenschutz erhielten die Belgier hingegen von der deutschen Bertelsmann-Stiftung: Trotz aller Kritik setze das Treffen das richtige Signal. Denn es sei besser, im kleinen Kreis einen entscheidenden Schritt voranzukommen, als im grossen Kreis auf kleine Schritte zu warten. Andere erachten den Alleingang jedoch als unnötig, weil der Reformkonvent, der schon im Juni den Entwurf eines Verfassungsvertrages für die EU vorlegen wird, ohnehin schon verschiedene im Papier der Belgier erwähnte sicherheitspolitische Anliegen und auch den Gedanken einer engeren Verteidigungsunion aufgenommen hat. Der EU-Chefdiplomat, Solana, der dem Treffen fernbleiben wird, ermahnte die Teilnehmer, sich auf die Verbesserung der militärischen Kapazitäten zu konzentrieren und bestehende Pläne zu fördern. Spitze gegen die Nato?Neben der von Verhofstadt gewählten Vorgehensweise wird insbesondere der Vorschlag eines unabhängigen und physisch von der Nato getrennten EU-Hauptquartiers für die Planung und Führung von Auslandseinsätzen der EU-Eingreiftruppe kritisiert. Dieses Vorgehen, befürchten etwa Briten, Spanier und Italiener, unterhöhle die vertragliche Abmachung zwischen EU und Nato, wonach die EU bei der Vorbereitung von selbständig geführten Missionen auf die Planungsfähigkeiten des atlantischen Bündnisses zurückgreift. Nach diesem Muster wurde der erste selbständige EU-Einsatz im Ausland, die Übernahme der Befriedungsaktion in Mazedonien, geplant. Sie wird vom stellvertretenden Nato-Oberkommandierenden, einem Europäer, von einem innerhalb des Nato-Geländes speziell eingerichteten EU-Hauptquartier aus geführt. Auf diese Weise soll eine unnötige Verdoppelung der Strukturen vermieden und die Komplementarität von EU und Nato in der Sicherheitspolitik gewährleistet werden. Vor dem Hintergrund des noch nicht ausgestandenen transatlantischen und innereuropäischen Streits um den Irak-Konflikt besteht das Risiko, dass der Vorschlag der Belgier als Manöver wahrgenommen wird, um die von ihnen propagierte EU-Verteidigungsunion sachte von der Nato abzukoppeln. Insbesondere die Deutschen signalisierten aber schon vor dem Treffen, sie wollten jeden Eindruck vermeiden, dass die vom Kanzler mitgetragene Veranstaltung gegen das atlantische Bündnis gerichtet sei und einen anti-amerikanischen Zungenschlag erhalte. |