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Handelsblatt.com,
29. April 2003
"Eine EU-Armee in weniger als 10 Jahren"Europa-Experte Werner Weidenfeld
zur Kritik Interview: Andreas Rinke Handelsblatt.com: Herr Weidenfeld, halten Sie die Kritik an dem Vierer-Gipfel für berechtigt? Werner Weidenfeld: Der Zeitpunkt ist so kurz nach dem Irak-Krieg sicher unglücklich, die Debatte über das Thema aber richtig und überfällig. Die weltpolitische Lage macht klar, dass Europa seine Existenz nur sichern kann, wenn es außen- und sicherheitspolitisch voll handlungsfähig wird. Wer das will, muss konkrete Überlegungen anstellen. Es darf keine Verdammung des Vordenkens geben, weil dies jeden europapolitischen Fortschritt im Keim erstickt. Der Irak-Krieg hat doch gezeigt, dass jede nationale europäische Armee irrelevant ist - die britische übrigens genauso wie die französische oder deutsche. Handelsblatt.com: Die Kritik an dem Treffen rührt doch daher, dass sich ausgerechnet vier Gegner des Irak-Krieges treffen. Weidenfeld: Diese Länder empfinden die sicherheitspolitischen Notwendigkeiten eben als besonders stark. Es hat zudem den Versuch gegeben, weitere Staaten mit an den Tisch zu bekommen. Im Übrigen gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg eine Debatte darüber, wie die Abgrenzung zwischen transatlantischen und europäischen Sicherheitsstrukturen aussehen soll. Deshalb darf man die Debatte jetzt nicht unter den Generalvorwurf eines Spaltungsversuches stellen. Ich wehre mich dagegen, jeden weiteren Fortschritt einer eigenen europäischen Verteidigungsstruktur aus einer aufgeregten Atmosphäre nach dem Irak-Krieg heraus per se als anti-atlantisch einzustufen. Handelsblatt.com: Sollten einige europäische Länder mit einer Verteidigungsunion vorangehen, falls nicht alle EU-Partner mitziehen? Weidenfeld: Ich sehe in der Form der Differenzierung das Modell der Zukunft in einer erweiterten Union. Es wird in einem Europa der 25 Mitglieder nicht mehr möglich sein, dass jeder Schritt von jedem Land mitvollzogen wird. Handelsblatt.com: Sind Sie enttäuscht, dass die Vorschläge des Gipfels nicht sehr detailliert sind? Weidenfeld: Nein. Denn dann würde ja tatsächlich jene Vorfestlegung stattfinden, die viele gefürchtet haben. Es ist taktisch richtig, offen zu lassen, auf welche Weise man das Ziel einer europäischen Armee erreichen will. Handelsblatt.com: Aber das Ziel ist tatsächlich, eine gemeinsame europäische Armee zu bilden? Weidenfeld: Sicher, das ist das große historische Projekt, um das es geht, vergleichbar mit der Wirtschafts- und Währungsunion. Und wir werden sie in weniger als zehn Jahren haben. |