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Die Zeit, 16. April 2003

Die Lehren aus Bosnien

Wiederaufbau und Demokratisierung: Was der Westen auf dem Balkan und in Afghanistan falsch gemacht hat

Von Joachim Fritz-Vannahme


Man stelle sich vor, alle Europäer und die Krieg führenden Amerikaner wären sich einig, die Vereinten Nationen gäben ihren Segen, die einheimischen Eliten, ein Teil davon aus dem Exil zurückgekehrt, übernähmen rasch Verantwortung und das Geld für den Wiederaufbau flösse schnell und reichlich. Goldene Zeiten für den Irak?

Die Rede ist von Afghanistan. Fast schon vergessen ist das geschundene Land, kaum anderthalb Jahre nach dem Sieg über die Taliban. Der Irak-Krieg hatte noch nicht begonnen, da warnte der Brite Chris Patten, EU-Kommissar für Außenpolitik: Die internationale Gemeinschaft müsse in Afghanistan einen langen Atem beweisen – "egal, was in diesem Jahr sonst noch an Ereignissen auf uns zukommt".

Wie gut versteht sich der Westen auf den Aufbau einer Nation und ihre Demokratisierung? Wie viel Geld fließt tatsächlich? Zwei Konflikte der jüngeren Geschichte – Afghanistan und der Balkan – zeigen, wie ernst es die Staatengemeinschaft mit ihren Versprechen an die vom Krieg gebeutelten Völker meint.

Rund 1,8 Milliarden Dollar Aufbauhilfe war Afghanistan allein für das Jahr 2002 versprochen worden. Die Europäische Union gab 830 Millionen Euro, fast 530 Millionen Dollar kamen von den Vereinigten Staaten. Bis zum Jahr 2006 sollen weitere 4,5 Milliarden Dollar ins Land fließen, für Schulen und Straßen, die Beseitigung von Landminen und die Bekämpfung des Opiumanbaus. Das ist beileibe nicht ausreichend, weil der Bedarf mindestens auf das Vier- bis Fünffache geschätzt wird. "Ein armseliger Betrag", klagte vor einem Jahr der damalige EU-Beauftragte Klaus-Peter Klaiber.

Zehntausend Soldaten der Isaf sollen Afghanistan sichern und den Wiederaufbau schützen. Doch bislang herrscht kein Gefühl von Sicherheit, selbst in Kabul wurde unlängst das Hauptquartier der Isaf beschossen. Fernab der Hauptstadt herrschen die Warlords. Die provisorische Regierung um Hamid Karsai soll bis zum Sommer 2004 Wahlen organisieren, doch die Zweifel wachsen, ob das überhaupt zu schaffen ist.

Was als Modell für den Irak dienen soll, zeigt trotz erster Erfolge wenig Glanz. Bei einem Vergleich der Länder darf man einen gewichtigen Unterschied aber nicht übersehen: Afghanistan gehört nach Sowjetbesatzung und Dauerkrieg in die Kategorie der zerfallenen Staaten. Im Irak hingegen hielt die Diktatur das Land zumindest zusammen.

Und die Lehren vom Balkan?

Im ehemaligen Jugoslawien trennte man von Anfang an die Militär- von der Zivilverwaltung. "Doch das hat nicht funktioniert", warnt der Balkan-Experte Wim van Meurs vom Münchner Centrum für angewandte Politikforschung. Angesichts einer ausgeprägten Wirtschafts- und sonstiger Kriminalität hätte es eher eine reine Militärverwaltung gebraucht. Der Brite Paddy Ashdown, der derzeit in Bosnien die Demokratisierung überwacht, meint selbstkritisch: "Wir hielten die Demokratie, gemessen an der Anzahl von Wahlen, für die oberste Priorität. Rückblickend hätten wir zuerst Recht und Ordnung, die rule of law, etablieren sollen, denn alles andere hängt davon ab."

In der Brüsseler Zentrale des Balkan-Stabilitätspakts zieht Roland Bless einen Vergleich: "Der Balkan hatte in der Vergangenheit kaum Exportgüter anzubieten, und sieht man vom kroatischen Tourismus ab, auch keine namhafte Industrie. Das ist im Öl-Land Irak natürlich anders und schlägt auf jede Mischkalkulation beim Wiederaufbau durch." Zudem schonten die alliierten Truppen im Irak die Infrastruktur, während sie den Kosovo 1999 mit Luftschlägen überzogen, die just die Zerstörung von Verkehrswegen und der Energiezufuhr zum Ziel hatten.

Im Kosovo wie in den ehemaligen Kriegsländern des Balkans fehlen zudem die Heimkehrer. Die ins Ausland geflüchteten Eliten bleiben, wo sie sind. "Der Balkan leidet unter einem Brain-Drain seiner besten Kräfte. Die Diaspora hilft lieber mit Transferzahlungen als durch eine Rückkehr in die Heimat" sagt Roland Bless.

Im vergangenen Jahr flossen 3,5 Milliarden Euro internationale Hilfe ins ehemalige Jugoslawien, rund 1,3 Milliarden aus den Kassen der EU. Für den Zeitraum bis 2006 stellt die Union 4,65 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Hoffnung auf dem Balkan heißt Europa: Kroatien hat soeben den Aufnahmeantrag für die Gemeinschaft gestellt, Brüssel arbeitet nach offizieller Diktion mit allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens an einer künftigen EU-Mitgliedschaft. Der Anreiz soll disziplinierend, stabilisierend, ja zivilisierend wirken. Eine Option, die für den Irak garantiert nicht infrage kommt.


   
           
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Aktualisiert am: 30.04.2003   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang