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Süddeutsche
Zeitung, 26. März 2003
Streit über die FriedensordnungDie USA wollen beim Wiederaufbau dominieren, Kritiker fordern das Primat der UN Von Stefan Ulrich Der Kampf ist noch nicht entschieden, da ist der Streit um die Nachkriegsordnung schon voll entbrannt. In der US-Regierung, bei der Uno und der EU wird an Strategien gebastelt, die dem Irak eine bessere Zukunft bescheren sollen. Einig ist man sich im Ziel und im Versprechen an die Iraker, das Großbritanniens Premier Tony Blair in Anspielung an den ersten Golf-Krieg so formuliert: "Diesmal werden wir Euch nicht hängen lassen." Die Ideen vom richtigen Weg klaffen aber weit auseinander. Während etwa die Franzosen ein striktes UN-Primat fordern, mag sich das Pentagon einen Wiederaufbau nur unter straffer US-Führung vorstellen. Immerhin könnte sich der Sicherheitsrat schon bald auf eine neue Resolution einigen. In ihr würde das Programm "Öl-für-Lebensmittel" modifiziert, das in der Vergangenheit die Versorgung von 60 Prozent der Iraker sicherstellte. An Stelle der irakischen Regierung könnte künftig UN- Generalsekretär Kofi Annan die Bestellung und Verteilung der Hilfsgüter organisieren. Noch streitet der Rat aber, wie die Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit den Besatzungsmächten aussehen soll. Die Kriegsgegner wollen alles vermeiden, was als Rechtfertigung der angelsächsischen Aggression ausgelegt werden könnte. Konflikt Washington-London?Noch weit schwieriger werden sich die folgenden Schritte gestalten: der Wiederaufbau, die Errichtung einer Übergangsverwaltung und die Demokratisierung des Iraks. Washington versucht, schon jetzt Fakten zu schaffen, indem es unter dem Ex-General Jay Garner eine zivile amerikanische Übergangsregierung zusammenstellt. Die Uno würde demnach jedenfalls zunächst nur für die Nothilfe gebraucht. Mit dieser Rolle wollen sich der Völkerclub und die Kriegsgegner im Sicherheitsrat aber nicht abspeisen lassen. Die Vereinten Nationen arbeiten daher, einem Bericht der BBC zufolge, bereits eigene Pläne aus, die auf eine UN-Verwaltung des Irak ähnlich wie im Kosovo hinauslaufen. Hierzu wäre jedoch ein Mandat des Sicherheitsrats notwendig, dem wiederum die Veto-Macht Amerika zustimmen müsste. Dabei könnte sich ein Streit Washingtons mit London anbahnen. Die Blair-Regierung hat nämlich großes Interesse daran, dem Feldzug gegen das Saddam-Regime durch eine starke Rolle der Uno im Nachkriegs-Irak den Anschein von Legitimität zu verleihen. Großbritannien dringt daher im Verein mit seinen EU-Partnern darauf, den Vereinten Nationen die zentrale Rolle beim Wiederaufbau einzuräumen. Dementsprechend hat der Außenpolitik-Beauftragte der Europäischen Union, Javier Solana, nun erklärt, die EU wolle bei der Neugestaltung des Irak helfen, wenn die Uno ein Mandat erteile. Noch sei es aber zu früh zu entscheiden, ob zum Beispiel Blauhelm-Soldaten, Polizisten oder Fachbeamte entsandt werden können. Konkreter wird da etwa die Bertelsmann Stiftung. Sie legte am Dienstag in Brüssel einen Plan für die Irak-Politik vor. Darin fordern die Autoren "eine eigenständige europäische Strategie als Alternative zu den unilateralen Plänen der USA". Zunächst solle sich die EU bei der Verhinderung einer humanitären Katastrophe, der Entwaffnung des Regimes und dem Aufbau einer multinationalen Sondereinheit unter dem Dach der Uno engagieren. Dann müsse eine "Hohe Internationale Behörde" eine Übergangsregierung aufbauen und Wahlen organisieren. Schließlich solle der Irak in eine "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit am Golf" eingebunden und so die ganze Region stabilisiert werden. Josef Janning von der Bertelsmann Stiftung hofft, ein solcher Plan könne "einerseits die innereuropäische Spaltung überwinden, gleichzeitig aber auch den hegemonialen Bestrebungen der USA begegnen und vielleicht sogar ein Weg sein, um die amerikanische Weltpolitik wieder in ein multilaterales System zu integrieren". |