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Die Welt, 13. Februar 2003

Wählerwut tut Schröder gut!

Das Volk erwartet Befreiungsschläge, der Bundeskanzler hat jetzt die Chance zu reüssieren

Von Karl-Rudolf Korte


Bundeskanzler Gerhard Schröder wirkt seit den Landtagswahlen wie im Boxring angezählt. Die Aussichten zum siegreichen Gegenschlag scheinen begrenzt. Gefühlte Endzeitstimmung breitet sich aus. Doch erst die Ausweglosigkeit hat schon häufig den Bundeskanzler extrem vitalisiert. Es mag paradox klingen, doch das Regieren kann für Schröder zukünftig sogar einfacher werden. Die Vorzeichen und Rahmenbedingungen für eine ergebnisorientierte politische Führung sind jetzt gut. Wieso?
Die Doppelniederlage von Wiesbaden und Hannover deklassierte die SPD als Volkspartei. Mit dem Stimmzettel artikulierte sich extreme Wählerwut. Der Entscheidungs- und Handlungsdruck ist somit für die abgewählten Sozialdemokraten extrem hoch. Eine Erwartungshaltung gegenüber so genannten Befreiungsschlägen macht sich breit. Denn generell kritisierten die Wähler weniger den Sympathie- als vor allem den Tatenverlust. Auch das zielgruppenpopulistische Regieren im Minutentakt wurde abgestraft. Nicht jede Problemlösung kann publikumswirksam sein, so sehen und unterstützen es mittlerweile die Mehrzahl der Deutschen. Schröders Generaloffensive könnte somit keinen besseren Zeitpunkt als jetzt finden. Die Interpretation der Wahlergebnisse lässt auch inhaltlich nur eine Schlussfolgerung zu: das Mandat für "weiter so!" existiert nicht mehr. Konkret bedeutet dies das Reformfenster wieder zu öffnen, sich aus der scheinbaren Umklammerung von Räuberkoalitionen der Gewerkschaften und Verbände zu befreien und die Kartelle des Konsenses zu verlassen. Da es Reformen ohne Last nicht geben kann, gehört zunächst die ehrliche und umfassende Information über die tatsächliche ökonomische Lage dazu. Mutige politische Führung in Regierungsverantwortung stellt die Rettung des Kerns unseres Sozial- und Wohlfahrtsstaats ins Zentrum, um gleichzeitig dramatische Einschnitte für alle tragbar zu beschließen. Das längerfristige und zielbetonte Ideen-Management braucht auch begrifflich neue wärmende Leitideen gerade in Krisenzeiten. Wer es schafft, dem bevorstehenden bedeutenden politischen Verteilungs-Konflikt Ausdruck und Stimme zu verleihen, hat ein wichtiges Steuerungsinstrument in der Hand. Denn Sprache ist das zentrale Führungsinstrument der Politik. Solche wertgebundene Führung, die nicht tagesbeliebig agiert, sondern einem nachvollziehbaren Krisen-Kompass folgt, eröffnet zusätzliche Handlungschancen. Populistische Lumpensammler finden immer Unzufriedene. Demokratische Führungsstärke verlangt hingegen viel mehr. Hierbei geht es um das Festhalten von Prioritäten und nicht um deren scheinbare Aufhebung.

Der Zeitpunkt für derartiges politisches Handeln ist günstig, die Ausweglosigkeit lässt inhaltlich nur eine Stoßrichtung zu. Vor allem kann der Bundeskanzler jetzt rücksichtslos agieren. Erst im Herbst 2004 stehen vier Landtagswahlen an, die in die Mehrheitsverhältnisse des Bundesrates gravierend eingreifen können. Das taktische Lavieren mit Blick auf das Referendum der Wähler kann eineinhalb Jahre ausfallen. Die Rituale der Traditionslinken und der professionellen Bedenkenträger innerhalb der Koalition bleiben störend, aber nicht wirkungsmächtig. Auch das spricht für gute Führungsbedingungen.

Zuletzt ist die angebliche Blockade-Konstellation im Bundesrat zu betrachten. Auch hier können durchaus Chancen für Schröders künftiges Erfolgsmanagement entdeckt werden. Schon während der ersten Amtszeit von Rot-Grün sah sich Schröder mit einer gegengerichteten Mehrheit im Bundesrat konfrontiert. Es gelang ihm bei wichtigen Gesetzesvorhaben einzelne Ministerpräsidenten mit föderalen Verlockungen aus der Reihe der Union zu lösen. Von den rund 900 Gesetzesvorhaben der letzten Legislaturperiode sind letztlich nur sieben komplett gescheitert. Die Union könnte wieder in die Konsensfalle geraten: sie stimmt verhandelnd zu und wird so auch in Mithaftung genommen ohne eigenes Profil zu gewinnen. Sicher ist die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der Union im Bundesrat und das neue Patt im Vermittlungsausschuss für die Bundesregierung problematisch. Doch lässt sich die neue Unions-Vielfalt für Angela Merkel schwieriger disziplinieren als vorher. Zur gewachsenen Heterogenität des Unionslagers kommt die erwartbare Strategiedebatte hinzu. Nunmehr steht die Nord-Union einer Süd-Union gegenüber. Die Unions-Chefin konnte sich zwar seit den Wahlen aus der Umklammerung der Süd-Schiene befreien, doch das Machtgefüge ist vielstimmiger geworden. Regieren kann mithin für den Bundeskanzler auch angesichts dieser vielstimmigen Dominanz einfacher werden.


   
           
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Aktualisiert am: 13.02.2003   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang