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Die
Welt, 13. Februar 2003
Wählerwut tut Schröder gut!Das Volk erwartet Befreiungsschläge, der Bundeskanzler hat jetzt die Chance zu reüssieren Bundeskanzler Gerhard Schröder wirkt seit den Landtagswahlen wie
im Boxring angezählt. Die Aussichten zum siegreichen Gegenschlag
scheinen begrenzt. Gefühlte Endzeitstimmung breitet sich aus. Doch
erst die Ausweglosigkeit hat schon häufig den Bundeskanzler extrem
vitalisiert. Es mag paradox klingen, doch das Regieren kann für Schröder
zukünftig sogar einfacher werden. Die Vorzeichen und Rahmenbedingungen
für eine ergebnisorientierte politische Führung sind jetzt gut.
Wieso? Der Zeitpunkt für derartiges politisches Handeln ist günstig, die Ausweglosigkeit lässt inhaltlich nur eine Stoßrichtung zu. Vor allem kann der Bundeskanzler jetzt rücksichtslos agieren. Erst im Herbst 2004 stehen vier Landtagswahlen an, die in die Mehrheitsverhältnisse des Bundesrates gravierend eingreifen können. Das taktische Lavieren mit Blick auf das Referendum der Wähler kann eineinhalb Jahre ausfallen. Die Rituale der Traditionslinken und der professionellen Bedenkenträger innerhalb der Koalition bleiben störend, aber nicht wirkungsmächtig. Auch das spricht für gute Führungsbedingungen. Zuletzt ist die angebliche Blockade-Konstellation im Bundesrat zu betrachten. Auch hier können durchaus Chancen für Schröders künftiges Erfolgsmanagement entdeckt werden. Schon während der ersten Amtszeit von Rot-Grün sah sich Schröder mit einer gegengerichteten Mehrheit im Bundesrat konfrontiert. Es gelang ihm bei wichtigen Gesetzesvorhaben einzelne Ministerpräsidenten mit föderalen Verlockungen aus der Reihe der Union zu lösen. Von den rund 900 Gesetzesvorhaben der letzten Legislaturperiode sind letztlich nur sieben komplett gescheitert. Die Union könnte wieder in die Konsensfalle geraten: sie stimmt verhandelnd zu und wird so auch in Mithaftung genommen ohne eigenes Profil zu gewinnen. Sicher ist die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der Union im Bundesrat und das neue Patt im Vermittlungsausschuss für die Bundesregierung problematisch. Doch lässt sich die neue Unions-Vielfalt für Angela Merkel schwieriger disziplinieren als vorher. Zur gewachsenen Heterogenität des Unionslagers kommt die erwartbare Strategiedebatte hinzu. Nunmehr steht die Nord-Union einer Süd-Union gegenüber. Die Unions-Chefin konnte sich zwar seit den Wahlen aus der Umklammerung der Süd-Schiene befreien, doch das Machtgefüge ist vielstimmiger geworden. Regieren kann mithin für den Bundeskanzler auch angesichts dieser vielstimmigen Dominanz einfacher werden. |