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Frankfurter Rundschau, 4. Februar 2000

Den Integrationszügel anziehen -
Wie die EU auf die blau-schwarze Koalition in Österreich reagieren sollte

Von Josef Janning


Die Erklärung der 14 EU-Regierungen und die Stellungnahme der Europäischen Kommission sind Warnzeichen an die österreichische Politik - die in der Öffentlichkeit des Landes prompt mißverstanden worden sind. Man mag bezweifeln, ob die Androhung diplomatischer Isolierung durch die anderen EU-Mitglieder das richtige Signal sind. Bisher ist dieses Instrument gegenüber eindeutig undemokratischen Staaten angewandt worden; so im koordinierten Rückzug der Botschafter aus dem Iran oder in Reaktion auf die Schikanen gegen europäischen Missionen im Weißrußland des Führerpräsidenten Lukaschenko. Zu fräh und damit eher kontrproduktiv erscheint auch die Keule der Artikel 6 und 7 des Unionsvertrages. Sie richten sich gegen staatliches Handeln in einem Mitgliedsland, das die Grundsätze der Freiheit, Demokratie, des Schutzes der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit. Dies ist bis heute in Österreich nicht zu erkennen.

Kaum Zweifel kann es jedoch an der Legitimation der EU-Institutionen geben, als Rat, als Kommission oder als Parlament Stellung zu nehmen zu Vorgängen in einem Mitgliedstaat. Auch der Regierungsantritt Berlusconis in Italien ist - in weicherer Form - sorgenvoll kommentiert worden. Die Europäische Union ist nun einmal kein Club und kein Verein zur Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt, sondern eine wirtschaftliche und politische Union, deren Zusammenhalt und Handlungsfähigkeit von der Qualität ihrer Staaten wesentlich abhängt. Ihrem Binnenmarkt ohne nationale Protektionsräume sind längst politische Arme gewachsen: in der gemeinsamen Währung, in der Justiz- und Innenpolitik und, nicht zuletzt, in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zusammengenommen bilden sie das Gerüst einer Solidar- und Schicksalsgemeinschaft, in der es Gleichgültigkeit gegenüber elementaren Entwicklungen in ihren Reihen kaum geben kann.

Die Reaktion Haiders, sich Einmischungen "des Auslands" zu verbitten, gibt zugleich einen nicht geringen Teil der Öffentlichen Meinung des Landes wieder; die Reaktion Schüssels belegt, dass er gewillt ist, mit dieser Haltung Politik zu machen anstatt die ihm bekannten europäischen Realitäten zu kommunizieren. An diesen beiden Befunden sollte die EU-Strategie gegenüber dem Mitglied Österreich ansetzen. Ein Grundelement der Strategie sollte sein, den mentalen Graben der Österreicher zu ihrem Europa zu überbrücken: Die EU und ihre Staaten sind kein Ausland; jeder Österreicher genießt Niederlassungsfreiheit, Freizügigkeit, Zugang zum Studium oder das Recht, sich als Rentner in den Sonnenstaaten der EU niederzulassen und dort in Kommunalwahlen für den Posten des Bürgermeister zu kandidieren. Die Auseinandersetzung um das Für und Wider der Integration, um Chancen und Perspektiven der Mitgliedschaft wie um die Kosten der Nicht-Integration muss offensiv geführt werden - eine neue Europadebatte im Jahr der Regierungskonferenz täte nicht nur Österreich gut.

Mittelpunkt einer Reaktionsstrategie sollte jedoch die konsequente Anwendung der Integration sein. Das Beispiel Österreichs zeigt, daß es bereits heute, und nicht erst mit den kommenden Erweiterungen, kontraproduktiv wirkt, die Zügel der Integrationsanforderungen an die Mitgliedstaaten schleifen zu lassen. Die Europäer gehen, diplomatisch verständlich, zu weich mit den von ihnen eingegangenen Bindungen um. Drei Hebel sollte eine Strategie konsequenter Integration ansetzen. Zum einen die zügige Umsetzung der im Amsterdamer Vertrag beschlossenen Innenpolitik. Eine gemeinsame Asyl-, Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik der EU bringt Rechtspopulisten wie Haider in Konflikt mit europäischem Recht. Zum zweiten eine konsequente Weiterentwicklung des Regierungssystems der EU in der diesjährigen Regierungskonferenz. Die EU sollte die gegenwärtig entwickelte Charta der Grundrechte so weit wie möglich in den Vertrag eingliedern, den Bereich der Mehrheitsentscheidungen ausweiten und eine "superqualifizierte" Mehrheit (Konsens minus eins oder zwei) erwägen, beispielsweise für die Aufnahme neuer Mitglieder. Drittes Element einer solchen Strategie wäre schließlich die Aufforderung an alle EU-Staaten, den Geist der Verträge umzusetzen. In Verbindung mit der Verschmelzung von Westeuropäischer Union und EU bedeutete dies Aufgabe der Neutralität für Irland, Finnland, Schweden und für Österreich. Jede dieser Entscheidungen wird zugleich eine Reifeprüfung für Österreich sein, jede bietet zugleich der SPÖ in der Opposition die Chance, sich von der eigenen Integrationsskepsis der Vergangenheit zu befreien. Das Motto lautet: Integration statt Ausgrenzung.


   
           
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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang