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NZZ vom 28. September 1999 Gebrauchsanweisungen für das 21. Jahrhundert Eine Tagung
in Frankfurt Was haben der amerikanische Theaterregisseur Robert Wilson, der chinesische Geschäftsmann Ronnie Chan und der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, gemeinsam? Sie alle vereint die Sorge um eine lebenswerte Zukunft in einer rasch zusammenwachsenden Welt, deren Markenzeichen Geschwindigkeit und Komplexität geworden sind. Zum Ende des ausklingenden Jahrhunderts hat die Menschheit erkannt, dass angesichts der ökologischen und sozialen Probleme, welche die Industriegesellschaften produziert haben, nur globales Handeln die damit verbundenen Gefahren beseitigen kann. Dies führte über den Brundtland-Report und den Rio-Prozess dazu, dass man versuchte, eine globale Infrastruktur zur Problemlösung aufzubauen - mit mässigem Erfolg, wie man weiss. Die Probleme des industrialisierten 20. Jahrhunderts bestehen fort und wachsen weiter, und seit Ende der achtziger Jahre, als das globale Ordnungsgefüge durch die Implosion des Ost-West-Gegensatzes ordentlich durchgerüttelt worden ist, sind neue Herausforderungen hinzugetreten. Das Erbe des Industriezeitalters Technologische Basisinnovationen prägen den sozialen und ökonomischen
Wandel so prägnant, dass kein industrialisiertes oder wirtschaftlich
weiter entwickeltes Land auf dem Globus von den Folgen verschont bleiben
wird. Doch die Herausforderungen und Chancen der über Grenzen üppig wuchernden
wirtschaftlichen Vernetzung, der informationstechnologischen Revolution
und der biomedizinischen Quantensprünge der Gentechnologie rufen natürlich
völlig unterschiedliche Erwartungen darüber hervor, was machbar, wünschenswert,
wertvoll oder schädlich daran ist. In einer entgrenzten Welt, in
der die internationalen Problemstrukturen längst nicht mehr mit den
Lösungsstrukturen übereinstimmen, in der das spezialisierte Fachwissen
sich immer mehr zu isolieren scheint und in der Politik immer stärker
lediglich den Zeiträumen ihrer Legislaturperioden Aufmerksamkeit
schenkt, wird nur eine globale Zusammenarbeit aller, über Professionen
und Grenzen hinweg, den Weg zu kreativen Lösungen weisen. Doch wie ist
eine effiziente Kooperation angesichts ganz unterschiedlicher Wahrnehmungen
der Lage in den unterschiedlichsten Ländern, Kulturen und politischen
Systemen dieser Welt eigentlich zu bewerkstelligen? Alarmzeichen Die Möglichkeiten der neuen Technologien lösen jedoch auch Alarm aus
in den gesellschaftspolitischen Debatten. Der Missbrauch des Internets
zum Beispiel erzeugt Handlungsbedarf hinsichtlich einer rechtlichen Regulierung
gefährlicher Netzinhalte oder informationspolitischer Konsequenzen.
Die Gefährdung der Privatheit, der Konsumentenschutz, der Schutz
geistigen Eigentums, politischer Extremismus oder Pornographie stehen
hierfür als Beispiel. Der amerikanische Politikwissenschafter Benjamin
Barber wies darauf hin, dass die multimediale Welt die politischen Machtverhältnisse
umkehre. Nicht mehr Bill Clinton oder der deutsche Bundeskanzler seien
die wirklich wichtigen Akteure, sondern Bill Gates oder Steven Spielberg.
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