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FAZ vom 13. September 1999

Kreditkarte mit genetischem Code

Bringt die Zukunft die schöne neue "McWorld"?
Eine Tagung über Folgen des Fortschritts.

Von Karin Truscheit


Im 21. Jahrhundert wird es Brillen mit Internet-Zugang geben, eine Kreditkarte, auf welcher der vollständige genetische Code des Inhabers gespeichert ist und mikroskopisch kleine Roboter, die in der Blutbahn des Menschen Viren mit Hilfe von Laserstrahlen vernichten können. Davon ist zumindest Michio Kaku überzeugt, Professor für theoretische Physik an der City University in New York, der sich mit technischem Fortschritt auseinandersetzt. Allerdings genügt es nicht, die Zukunft nur als Sciencefiction abzubilden, wenn man ernsthaft den Anspruch erhebt, mögliche Entwicklungslinien für die nächsten Jahrzehnte aufzuzeigen. Über die technischen Visionen hinaus müssen die Auswirkungen der Wissenschaft auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erörtert werden.

Diese Zukunftsfragen waren Thema einer Konferenz der Stiftung der Hoechst AG und des Centrums für angewandte Politikforschung (CAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München in Frankfurt. Auf diesem Hoechst Triangle Forum beschäftigten sich Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, und Kunst mit den Konsequenzen des Fortschritts für die Industriestaaten von morgen.

Viele Neuerungen, etwa das Internet, brächten nicht nur Vorteile, hieß es. Benjamin Barber, Direktor des amerikanischen Walt Whitman Center der Rutgers University, beklagte, das Internet sei undemokratisch, da es kaum zu kontrollieren sei. Zu viel Pornographie, zu viel Kommerz, zu wenig Kultur lauteten die Vorwürfe. Die Kinder seien Opfer, da sie nur als Konsumenten im Zeichen des "E-Commerce" gesehen würden. Auch die Globalisierung ehe er skeptisch, führe sie doch als "Amerikanisierung" im Dienste von Weltunternehmen wie Disney und Coca-Cola zu einer oberflächlichen "McWorld". In einer solchen Welt, so befürchtet Barber, werde der Konsument seiner Müdigkeit beraubt: Der Filmemacher Steven Spielberg könne dann in jeder beliebigen Stadt mehr Macht auf die Menschen ausüben als der Bürgermeister.

Befürworter des Internets verwiesen hingegen auf den wissenschaftlichen Austausch und die Möglichkeiten, sich über Krisenherde, zum Beispiel Ost-Timor, zu informieren und so Druck auf Regierungen auszuüben. Einig waren sich jedoch alle Teilnehmer, daß der Zugang zu Information und Bildung, somit auch die Verfügbarkeit der Neuen Medien, entscheidend für die Entwicklung eines Landes sei. Für Amerika, Europa und viele asiatische Länder sei dies selbstverständlich. Doch auch Entwicklungsländer müssten Anschluß an das Infmationszeitalter finden, um konkurrenzfähig zu werden.

Wie wichtig nicht nur der freie Zugang zu Informationen ist, sondern auch deren Aufbereitung, wurde in der Diskussion um die Auswirkungen der Gentechnik deutlich. Wie der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst-Ludwig Winnacker, anführte, können Chancen und Risiken der Gentechnik nur dann angemessen beurteilt werden, wenn die Öffentlichkeit ausreichend informiert und nicht durch falsche Sachverhalte verunsichert sei. Winnacker sagte, in etwa zwei Jahren werde man das menschliche Genom, die Gesamtheit aller in einer Zelle vorhandenen Erbinformationen, entschlüsselt haben. Die Forschung gewinne zudem immer mehr Erkenntnisse über genetische Ursachen verschiedener Krankheiten wie etwa Krebs. Es werde wahrscheinlich möglich werden, Gene, die eine Krankheit hervorrufen, durch "gesunde" Gene zu ersetzen oder Gene hinzuzufügen, die Immunität gegen Krankheiten wie zum Beispiel Aids bewirkten. Doch auch hier sei die Diskussion über medizinische oder ethische Fragen noch lange nicht abgeschlossen.

Kann man einem Patienten mitteilen, daß bestimmte Sequenzen seines Genoms ein Krankheit verursachen, die nicht geheilt werden kann? Wie wird man mit dem Recht eines Patienten auf Unwissenheit umgehen? Winnacker sagte, ebenso müsse man sich mit der möglichen Forderung von Lebensversicherungen beschäftigen, über genetische Anlagen der Kunden informiert zu werden, mit der Konsequenz, dass diese höhere Prämien zahlen müssten oder sogar vom Versicherungsschutz ausgenommen würden. Wen bei bestimmten Krankheiten nicht mehr nur die Symptome, sondern auch deren Ursachen bekämpft werden könnten, könnten die Lebenserwartung und die Lebensqualität steigen, was sich wiederum auf die Gesundheits- und Rentensysteme auswirken werde.

Vor allem die Fortschritte in der Informations- und Biotechnologie präge die Zukunft, darüber waren sich die Tagungsteilnehmer einig. Konkrete Antworten auf die Frage, wie man darauf reagieren müsse, gab es jedoch kaum. So wurden zwar viele Gefahren für die Demokratie genannt, die durch Globalisierung und multimediale Vernetzung entstünden; in welchem Umfang und mit welchen Instrumenten nationale Regierungen zum Beispiel das Internet kontrollieren könnten oder sollten, blieb allerdings unklar. Am Ende stand die Aufforderung an Politiker und "Zivilgesellschaft", sich stärker für ein Gleichgewicht zwischen dem Markt und den sozialen Werten einzusetzen.


   
           
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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang