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Internationale
Politik, September 1999
Verhinderte Nationen - Über den Umgang mit ethnischen Minderheiten*
Von Martin
Brusis und Josef Janning
In den großen Entwürfen der Moderne waren ethnische Minderheiten nicht
vorgesehen. Das Leitbild der alten westlichen Demokratien Großbritanniens,
Frankreichs und der Vereinigten Staaten, dessen Prägewirkung bis heute
anhält, bezog sich auf den Bürger und seine verfassungsmäßigen Rechte
und Pflichten - weitgehend ungeachtet seiner Herkunft. Zwei grundlegende
Institutionen der modernen Staatenordnung, der Nationalstaat und die Demokratie,
basieren auf der Voraussetzung, daß Nation und Demos bereits vorhanden
sind. Die Existenz ethnischer Minderheiten rührt an dieser Prämisse, da
sie die Einheitlichkeit der Nation und des Volkes als Quelle der Staatsgewalt
in Frage stellt. In Europa entstanden moderne Nationalstaaten dadurch,
daß sich entweder ein Staat eine (Staats-)Nation schuf oder daß die Angehörigen
einer (Kultur-)Nation einen Staat gründeten. Beide Wege der Nationalstaatsbildung
setzen ein prekäres, in der Geschichte häufig gewaltsam errungenes Einverständnis
voraus: Die im Staatsgebiet bzw. im Kulturraum lebenden Personen müssen
sich mit der Staats- bzw. Kulturnation identifizieren. Als die wirksamste
Trägersubstanz dieses Identifikations- und Integrationsprozesses haben
sich in der Moderne ethnische Gemeinsamkeiten erwiesen: gemeinsame Vorstellungen
über Herkunft und Kultur, gemeinsame aktuelle Erfahrungen, Identitäts-
und Solidaritätsgefühle. Das Leitbild des "ethnisch blinden" modernen
Staates blieb somit zumeist ein Konstrukt.
Wenn sich Nationalstaaten über diese Gemeinsamkeiten ethnisch definieren,
werden Gruppen von Staatsangehörigen, die die Gemeinsamkeiten nicht empfinden,
zu ethnischen Minderheiten. Ethnisierung geht also in den meisten Fällen
vom Nationalstaat aus und bildet einen dynamischen, sich gegenseitig verstärkenden
Prozeß. Ethnische Minderheiten verweisen im begrifflichen, entstehungsgeschichtlichen
und politischen Sinne auf ethnische Mehrheiten. Historische ethnische
Minderheiten sind die kulturell Überlebenden unvollständig verlaufener
Nationalstaatsbildung und nicht ethnisch begründeter Grenzrevision. Diese
Minderheiten gelten im staats- und völkerrechtlichen Sinne als nationale
Minderheiten und verfügen damit über einen bestimmten Rechtsstatus.
Im Unterschied dazu setzen sich die "neuen ethnischen Minderheiten" aus
Personen zusammen, die im Verlauf der letzten Jahrzehnte aus ökonomischen
oder humanitären Gründen in die westeuropäischen Länder eingewandert sind.
Da historische und neue ethnische Minderheiten im Hinblick auf die Nationalstaatsbildung
so etwas wie verhinderte Nationen darstellen, bedeuten sie ein latentes,
andauerndes Konfliktpotential für die nationalstaatlich verfaßte Herrschafts-
und Friedensordnung. Vom Umgang mit ethnischen Minderheiten hängt ab,
ob sich das mit ihnen verbundene Konfliktpotential in bereichernde kulturelle
Vielfalt oder destruktive ethnische Gewalt verwandelt.
Erklärungsversuche
Die wissenschaftlichen Erklärungsversuche für das Problem der Ethnizität
lassen sich in drei große Traditionen oder Denkschulen einteilen. Eine
erste Gruppe von Wissenschaftlern betrachtet ethnische Bindungen und darauf
basierende Nationen als gegebene Größen, die für die Angehörigen einer
ethnischen Gruppe oder Nation Grundkategorien der Wahrnehmung und Orientierung
bilden und damit ihr Interessen und ihr Handeln prägen. Selbst wenn viele
Vertreter dieser Tradition Ethnizität nicht mehr als außergesellschaftliches
und außerhistorisches Phänomen verstehen, so beharren sie doch darauf,
daß sie als unabhängige Variable die Politik beeinflußt.
Die zweite große Tradition rechnet damit, daß ethnische Bindungen im Verlauf
der gesellschaftlichen Modernisierung gegenüber individuell erwerbbaren
und gestaltbaren Zugehörigkeiten an Bedeutung verlieren und auf dem Wege
zu einer europäischen Identität bzw. zur Weltgesellschaft in den Hintergrund
treten. Bei ethnischen Gegensätzen handelt es sich dementsprechend um
die äußerlichen Erscheinungsformen von Konflikten, die im Kern um sozioökonomische
Interessen ausgetragen werden.
Eine dritte Gruppe von Erklärungsansätzen betrachtet Ethnizität als eine
gesellschaftliche Konstruktion, die wichtige sozialintegrative Funktionen
erfüllt, zum verfestigten Bestandteil der individuellen Wahrnehmung werden
kann, aber durch die politischen Akteure gestaltet oder manipuliert wird.
In dieser Traditionslinie sind Ethnien, Nationen und ethnische Minderheiten
"vorgestellte Gemeinschaften", deren Identität einerseits kontinuierlichen
politischen Definitionsprozessen unterliegt, andererseits eine institutionell
verankerte Stabilität erreichen kann. Um den grundlegenden Aspekt der
politischen Konstruktion hervorzuheben, sprechen Vertreter der dritten
Schule häufig nicht von ethnischen Konflikten, sondern von "ethnopolitischen
Konflikten".
Demokratie und ethnische Minderheiten
Die Frage nach dem angemessenen Umgang mit ethnischen Minderheiten stellt
sich zunächst in einem normativen Sinn. Antworten dazu finden sich in
der "Multikulturalismus"-Debatte, die erörtert, wie weit die kulturelle
Autonomie von Minderheiten reicht, welche Rechte sich daraus ableiten
lassen, und wo sie durch Pflichten, Rechte und Prinzipien begrenzt wird,
die sich aus dem universalen Staatsbürgerschaftsprinzip ableiten. Aus
dieser Diskussion ergibt sich für die Regelung von Konflikten, daß Minderheitenrechte
nicht im Sinne einer Privilegierung assimilationsgefährdeter Gemeinschaften
zu verstehen sind, aber auch, daß die Lösung nicht in ethnisch neutralen
Verfassungen zu finden sein wird. Weder ein kultureller "Artenschutz"
noch eine Ignorierung ethnischer Differenzen erscheinen im Blick auf die
Praxis ethnischer Konfliktlagen als Regelungsprinzip geeignet. Grundlage
von Regelungsansätzen müßte vielmehr sein, die - kulturell konstituierte
- Entscheidungsfreiheit der Angehörigen einer Minderheitskultur als das
schützenswerte Gut anzusehen.
Da die Mitgliedschaft in einer Kultur Entscheidungsfreiheit erst ermöglicht,
folgt, daß der Staat Voraussetzungen schaffen muß, damit Individuen Mitglied
in ihrer Kultur sein und bleiben können, wenn und soweit sie dies wollen.
Individuelle Entscheidungsfreiheit umfaßt aber auch die Entscheidung,
seinen Lebensentwurf zu verändern und von kulturell dominanten Lebensweisen
abzuweichen. Der Staat sollte daher darauf bestehen, daß ethnische Minderheiten
das kulturelle Selbstbestimmungsrecht ihrer Mitglieder respektieren. Grundsätzlich
können liberale, rechtsstaatlich verfaßte Demokratien dieses Selbstbestimmungsrecht
durch ihre Institutionen garantieren. Sie ermöglichen die kulturelle Selbstbestimmung
im Rahmen der persönlichen Freiheitsrechte (vor allem der Meinungs-, Gewissens-
und Assoziationsfreiheit), verbieten eine ethnisch begründete Diskriminierung
(Gleichheitsgrundsatz) und gewährleisten Formen der Partizipation und
Selbstverwaltung.
Wäre dieser individualrechtliche Schutz schon hinreichend, so bedürfte
es - wie nicht selten in mittel- und osteuropäischen Konfliktfragen argumentiert
wird - keiner zusätzlichen Festlegungen. Angehörige von Minderheiten können
jedoch auch in Demokratien in ihrer kulturellen Autonomie beeinträchtigt
werden, da das Mehrheitsprinzip den Angehörigen der Mehrheitskultur ermöglicht,
aus ihrem eigenen kulturelles Selbstbestimmungsrecht begründete Entscheidungen
gegen die Minderheitskultur durchzusetzen. Dieses Problem wird durch einen
wirksamen Schutz der persönlichen Freiheitsrechte zwar nicht gelöst, aber
entschärft, etwa indem Minderheitsangehörige durch eine Verfassungsklage
ihr kulturelles Selbstbestimmungsrecht als Bestandteil ihrer verfassungsmäßig
verankerten Rechte auch gegen Entscheidungen des Gesetzgebers geltend
machen können. Daneben können sie einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
reklamieren.
Insofern stellt ein System effektiv wahrnehmbarer Grundrechte eine wichtige
Institution zum Schutz ethnischer Minderheiten dar. Das Beispiel des verfassungsgerichtlichen
Grundrechtschutzes zeigt, daß Demokratien zudem durch die Auswahl geeigneter
Institutionen "responsiv" gegenüber ethnischen Differenzen gestaltet werden
können. So garantiert etwa ein proportionales Wahlsystem die exakte Vertretung
einzelner Bevölkerungsgruppen im politischen System und verbessert die
Repräsentationschancen ethnischer Minderheiten im Vergleich zu einem Mehrheitswahlsystem.
Allerdings können auch Mehrheitswahlsysteme die Repräsentation von ethnischen
Minderheiten begünstigen. Sie unterstützen die Integration von Minderheiten
in nicht ethnisch exklusiven Parteien, und entsprechend zugeschnittene
Wahlkreise erlauben eine parlamentarische Repräsentation der Minderheit,
wenn diese in einem kompakten Gebiet lebt und dort die lokale Mehrheit
bildet.
Gruppenrechte
Das Grundprinzip eines Minderheitenschutzes "qua Demokratie" stößt dann
an Grenzen, wenn aus der ethnisch begründeten Ungleichheit zwischen den
Bürgern besondere gruppenbezogene Rechte abgeleitet werden. Da der Staat
prinzipiell nicht ethnisch neutral handeln könne, müsse er die ethnischen
Unterschiede durch differenzierte, gruppenbezogene Rechte angemessen berücksichtigen.
Mit diesem Argument wird versucht, "besondere" Rechte, sei es als Mitbestimmungsrechte
oder als territoriale Selbstverwaltungsrechte zu begründen, die über die
in Demokratien gegebenen Formen der Partizipation, Machtdelegation und
Dezentralisierung hinausgehen.
Besondere Mitbestimmungsrechte übertragen der nationalen Minderheit als
Gruppe Rechte, die die gesamte Gruppe der Staatsbürger nur im Rahmen der
allgemeinen demokratischen Institutionen besitzt. Besondere Mitbestimmungsrechte
können in unterschiedlicher Weise ausgestaltet werden. Minderheitenvertreter
können eine Sperrminorität in den sie betreffenden Entscheidungen erhalten.
Oder sie wirken am Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozeß über getrennte
Minderheitenräte (öffentlich-rechtliche Körperschaften) mit. Derartige
Mitbestimmungsrechte für Angehörige ethnischer Minderheiten lassen sich
in einer normativen Sichtweise dann (und nur dann) rechtfertigen, wenn
die zur Mitbestimmung vorgesehenen Themen und Fragen das kulturelle Selbstbestimmungsrecht
der Minderheitsangehörigen berühren. Die Rechte von Minderheitenräten
beschränken sich daher zumeist auf Sprach-, Kultur- und Bildungspolitik.
Für andere Politikfelder, die nicht unmittelbar das kulturelle Selbstbestimmungsrecht
berühren, ließe sich kaum plausibel machen, warum ein demokratischer Staat
seine Bürger aus ethnischen Gründen ungleich behandeln sollte.
Besondere territoriale Selbstverwaltungsrechte unterscheiden sich von
der in Demokratien verankerten lokalen und regionalen Selbstverwaltung
insofern, als sie der nationalen Minderheit aufgrund ihrer Gruppenmerkmale
gebietsbezogene, aber in ihrem sachlichen Geltungsbereich unbestimmte
Rechte übertragen. Im Gegensatz zu den Mitbestimmungsrechten lassen sie
sich nicht aus dem kulturellen Selbstbestimmungsrecht begründen. Territoriale
Selbstverwaltungsrechte können in Form besonderer Autonomiestatute organisiert
werden. Die ehemalige Sowjetunion integrierte ihre ethnischen Minderheiten
durch Formen der Territorialautonomie, und auch die Rußländische Föderation
stützt sich im Föderationsvertrag von 1992 und in der Verfassung von 1993
auf ein abgestuftes System territorialer Autonomien. Aus der territorialen
Bindung des Autonomieprinzips ergibt sich, daß es als Instrument des Minderheitenschutzes
nur in den Fällen funktioniert, wo eine Minderheit in einem kompakten
Gebiet lebt und dort die Bevölkerungsmehrheit bildet. Soweit die der nationalen
Minderheit bzw. ihrer territorialen Selbstverwaltungskörperschaft übertragenen
Rechte mit den Rechten der übrigen Selbstverwaltungskörperschaften eines
Staates übereinstimmen, bewegt sich die territoriale Selbstverwaltung
im Rahmen responsiver Demokratie und erscheint mit den Prinzipien einer
liberalen, rechtsstaatlich verfaßten Demokratie vereinbar. In diesem Falle
werden de facto nur die Grenzen der Verwaltungsgebiete so festgelegt,
daß die nationale Minderheit als territorial organisierte Gruppe Selbstverwaltungsrechte
ausüben kann.
Unter normativen Aspekten erscheint jedoch problematisch, wenn territoriale
Autonomiestatute über die allgemeine Dezentralisierung von Kompetenzen
und Ressourcen hinaus weitergehende Rechte an eine nationale Minderheit
übertragen. Im Gegensatz zu einer allgemeinen Dezentralisierung, die die
Prinzipien der Gleichheit und Bürgerbeteiligung höher gewichtet, schreiben
territoriumsbezogene Sonderstatute und eine asymmetrische Dezentralisierung
die ethnische Differenz im Staatsaufbau fest. Territoriale Selbstverwaltungsrechte
lassen sich überdies nicht als Ausdruck des kulturellen Selbstbestimmungsrechtes
von Minderheitsangehörigen begründen, sondern müssen aus dem Selbstbestimmungsrecht
der Völker abgeleitet werden, dessen Status umstritten ist: In der Praxis
geraten derartige Regelungen nur allzu häufig unter Sezessionsverdacht.
Internationaler Minderheitenschutz in Osteuropa
In einer normativen Sichtweise erscheinen somit liberale, rechtstaatlich
verfaßte und im erläuterten Sinne responsive Demokratien, die nationalen
Minderheiten besondere Mitbestimmungsrechte einräumen, als besonders wünschenswerte
Institutionen zum Schutz ethnischer Minderheiten. Diese normative Präferenz
steht jedoch im Kontrast zur Tradition territorialer Autonomieregelungen
in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. In Konfliktkonstellationen, die nicht
über eine Tradition der territorialen Machtteilung verfügen, kann die
Einführung besonderer territorialer Selbstverwaltungsrechte polarisierend
und desintegrierend wirken. Umgekehrt kann sich ein ethnopolitischer Konflikt
unter den osteuropäischen Bedingungen nicht konsolidierter Demokratien
ebenfalls verschärfen, wenn man das überkommene territoriale Autonomiegefüge
durch - theoretisch demokratieverträglichere - besondere Mitbestimmungsrechte
ersetzt.
Die internationale Staatengemeinschaft hat unter dem Eindruck ethnopolitischer
Konflikte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts versucht, ein umfassendes
Minderheitenschutzsystem aufzubauen und damit den bereits zuvor bestehenden
menschenrechtlichen Schutz zu ergänzen. Zu den wichtigsten Elementen dieses
Systems gehören der von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (OSZE) beauftragte Hohe Kommissar für Nationale Minderheiten
und die Europarats-Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten.
In den letzten Jahren stießen diese Bemühungen in den intergouvernemental
geprägten Institutionen der Vereinten Nationen, der OSZE und des Europarates
allerdings an Grenzen. Was die EU betrifft, so haben bisher die gewachsene
Arbeitsteilung zwischen der EU und der OSZE bzw. dem Europarat, die intergouvernementale
Entscheidungslogik des zweiten und dritten EU-Pfeilers sowie - nicht zuletzt
- die unbewältigten Minderheitenkonflikte innerhalb einiger EU-Mitgliedstaaten
selbst die Entwicklung eines weitergehenden acquis communautaire der Minderheitenrechte
wirksam blockiert. So nachvollziehbar die Gründe sein mögen; die EU hat
eine Chance vergeben, minderheitenrelvante institutionenpolitische Vorgaben
für ihren eigenen Integrationsprozeß sowie für die integrationsbereiten
Staaten Mittel- und Osteuropas zu vereinbaren. So bleibt der Europapolitik
nur, die Regelung ethnopolitischer Konflikte zur Vorausbedingung des Beitritts
zu machen.
Fazit
Die Erfahrungen mit ethnopolitischen Konflikten in Osteuropa legen als
Schluß nahe, daß die internationalen Rechtsstandards und Institutionen
ethnische Minderheiten nicht wirkungsvoll schützen konnten. Dies liegt
einerseits am ungenügenden Niveau der Kodifizierung und Differenzierung
von Minderheitenrechten. Zum anderen haben die minderheitenrechtlichen
Standards nur eine begrenzt konfliktregelnde Wirkung, da sie nicht auf
die Ursachen der Minderheitenkonflikte zugeschnitten sind, sondern abstrakt-universale
Regelungsformen entwerfen. Die politischen Akteure beziehen sich gewöhnlich
nur dann auf den internationalen minderheitenrechtlichen Rahmen, wenn
sie ihre eigene Verhandlungsposition dadurch verbessern können.
Die Bereitschaft zu ernsthafter Konfliktprävention gehört schließlich
zu den gravierendsten Mängeln der europäischen Politik. Trotz eines allgemeinen
Konsenses über den normativen und funktionalen Primat präventiver Politik
sind die Schwellen zur Mobilisierung internationalen Engagements immer
noch zu hoch: Die westlichen Staaten und internationalen Akteure setzen
ihre Machtressourcen zu einem Zeitpunkt ein, der zwar ihren unmittelbaren
Präferenzen und organisatorischen Eigeninteressen optimal entsprechen
mag, aber im Hinblick auf die Konfliktkonstellation und die langfristigen
Stabilitätsinteressen des Westens suboptimale Ergebnisse zeitigt. Soweit
die internationalen Organisationen in einer langfristigen Perspektive
strukturelle Konfliktprävention betreiben oder versuchen, Friedenskoalitionen
aufzubauen, mobilisieren sie dafür zu geringe Ressourcen. Wird ein Handeln
unabweisbar, so beschränken die Staaten des Westens ihre Handlungsmöglichkeiten
durch den gering entwickelten internationalen minderheitenrechtlichen
Konsens sowie das fortbestehende Dogma der Staatssouveränität, das Außeninterventionen
erst im Falle einer Friedensbedrohung ermöglicht.
* Dieser Artikel basiert auf den Ergebnissen eines Projektes zu Minderheitenkonflikten
in Mittel- und Osteuropa, das die Bertelsmann Wissenschaftsstiftung gemeinsam
mit dem Centrum für Angewandte Politikforschung realisiert hat. Der Artikel
ist hier ohne Fußnoten wiedergegeben.
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