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FAZ vom 09.01.1999

Die Amerika-Forschung braucht einen Neuanfang

Von Stephan Bierling und Thomas Paulsen


Die Arbeitsgemeinschaft Politikwissenschaft der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien mußte ihre Jahrestagung aus Mangel an Interesse absagen. Der zentrale "Think Tank" der Bundesregierung, die Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen, läßt die Stelle ihres Amerika-Referenten fast ein Jahr unbesetzt.
Was ist los mit der politikwissenschaftlichen Amerika-Forschung in Deutschland? Nicht viel. Zwar klagt man diesseits des Atlantiks gerne, wie wenig sich denn die Neue Welt noch für die Alte interessiere, aber umgekehrt wird auch in Deutschland die Analyse der amerikanischen Innen- und Außenpolitik recht stiefmütterlich behandelt.
Nicht, daß es keine substantielle Erforschung der amerikanischen Politik gebe hierzulande, aber sie findet sporadisch statt und wird von Einzelkämpfern betrieben. Die meisten "Großen" der deutschen Amerika-Forschung, Ernst-Otto Czempiel und Helga Haftendorn etwa, beschäftigen sich mit Amerika aus Leidenschaft. Ihre Lehrstühle waren oder sind ganz allgemein der internationalen Politik gewidmet. Während es Dutzende Professuren mit Schwerpunkt EU- und Osteuropa-Forschung gibt und sich mehrere Universitäten eigene Institute für amerikanische Literatur und Kultur leisten, ist uns nur eine einzige Professur in Deutschland bekannt, die ausdrücklich die Erforschung der amerikanischen Politik zur Aufgabe hat. Einrichtungen wie das Zentrum für Nordamerikaforschung (Zenaf) in Frankfurt versuchen zwar, die Energien auf Universitätsebene zu bündeln, sind aber mehr Symptom dieses Mißstandes, als daß sie ihn beheben könnten. Die systematische Förderung eines wissenschaftlichen Nachwuchses, der sich mit der amerikanischen Politik beschäftigt, ist unter diesen Umständen nur schwer möglich.
Lange Jahre konnten sich Rektoren, Dekane und Kultusminister mit dem Argument beruhigen, daß die Amerikahäuser in vielen Städten mit Gastreferenten die Lücke schließen. Das überzeugte schon damals nicht, weil dieses Angebot eine kontinuierliche Beschäftigung mit der amerikanischen Politik nicht ersetzen konnte und die Anbindung an die Universitäten schlecht war. Nach der Schließung der meisten Amerikahäuser in den letzten Jahren ist dieses Argument erledigt. Wer heute aktuelle Analysen zur amerikanischen Politik lesen will, muß sich fast immer auf Papiere aus den Vereinigten Staaten stützen.
Dies ist auf Dauer nicht tragbar. Ohne Amerika, das dokumentiert der Jugoslawien-Konflikt seit Jahren schonungslos, ist Europa in vielen außenpolitischen Fragen nicht handlungsfähig. Gerade die wachsende Bedeutung der Innenpolitik für die amerikanische Außenpolitik macht eine kontinuierliche Beschäftigung mit der Entscheidungsfindung in Washington heute wichtiger denn je. Weder das Dringen der Vereinigten Staaten auf eine Ost-Erweiterung der Nato noch ihre Sanktionen gegen Kuba, noch ihre Ablehnung des Internationalen Strafgerichtshofs sind zu verstehen, wenn man die Stimmung im Kongress nicht kennt.
Wir brauchen die institutionelle Verankerung der amerikanischen Politik in der deutschen Forschung. Das heißt nicht unbedingt neue Stellen und mehr Geld, sondern eine Konzentration der Ressourcen - durch die Umwidmung frei werdender Professuren, durch die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle, die Forschungsprojekte bundesweit koordiniert und deren Ergebnisse der Politik und der Wirtschaft zur Verfügung stellt, durch die Schaffung von Amerika-Zentren, die von öffentlichen und privaten Trägern finanziert werden. Daß dies möglich ist, zeigen die "Centers of Excellence", die an mehreren amerikanischen Universitäten zur Verbesserung der Deutschland-Forschung errichtet wurden.
Sollte ein Neuanfang der politikwissenschaftlichen Amerika-Forschung nicht gelingen, wird das nicht allein zum Schaden der deutschen Universitäten sein. Gerade nach dem Wegfall der traditionellen Begründungsmuster für die transatlantische Gemeinschaft dürfte Unkenntnis der erste Schritt zu einer dauerhaften Entfremdung der Partner sein.

Die Verfasser sind Politikwissenschaftler an der Universität München und am Centrum für angewandte Politikforschung.


   
           
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Aktualisiert am: 05.12.2002   Impressum | Design by [meteme.de]   Seite drucken | Seitenanfang